Bonn – Es läuft viel rund bei diesem Mann, sehr viel. 60 000 Platten hat Dr. Rainer Lotz in fünf Jahrzehnten Sammelleidenschaft zusammengeklaubt, ein sorgfältig gepflegtes Archiv schlummert im Keller des Bonners. Ein Leben in Jazz, das vornehmlich auf alten Schellackplatten verewigt ist. Hüllen und Platten trennt Rainer Lotz, denn – da spielt das Schicksal einen Streich – der Sammler aus Leidenschaft hat eine Stauballergie.
Vor einigen Jahren kam ihm die Idee, Teile seiner Sammlung einmal mehr einem edlen Zweck zukommen zu lassen. Er wollte eine Edition zusammenstellen, in der er schwarzen Musikern Raum gibt, die in Europa Musik gemacht haben. Herausgekommen ist eine Box mit 44 CDs und zwei reich mit Bildern, Lithografien und Noten illustrierte Büchern. Die Geschichten, die darin geschrieben stehen, haben Rainer Lotz und zwei befreundete Co-Autoren auf Englisch niedergeschrieben. Alles zusammen dokumentiert in musikalischer und bildhafter Weise die Geschichte des Jazz’ in Europa und heißt folgerichtig „Black Europe“.
„Es mag wirken wie ein schwieriges Unterfangen, aber nachdem wir uns entschlossen hatten, einen Schnitt zu machen bei elektronisch aufgenommener Musik, war das Thema klar umrissen“, sagt Rainer Lotz. Den Fokus setzten sie also auf die Jahre 1880 bis 1930. Und was sie fanden, schreibt aus Lotz’ Sicht die Historie des Jazz’ und der Musik um. Um ein Beispiel zu nennen: Ein Schwarzer spielt auf einer 1904 aufgenommenen Platte „The Last Rose of Summer“ mit der Mundharmonika: „Was der da macht, wie der das Lied in Stücke zerhaut und improvisiert, ist unglaublich. Man glaubte immer, das hätte es in den 1940er Jahren erstmals gegeben.“
Aus der umrissenen Zeit, schätzt Lotz, gebe es insgesamt noch rund 2000 Aufnahmen von schwarzen Musikern, die aus Afrika und Amerika nach Europa kamen. 1300 befinden sich auf den 44 CDs. Nicht alle in bester Qualität, aber der Jazzhistoriker findet, dass der Toningenieur „wahre Wunder“ vollbracht hat.
Die „Blacks“ mischten seinerzeit die Musikszene auf. Sie kamen nach Frankreich und Deutschland, weil sie in den USA diskriminiert wurden. In ein amerikanisches Tonstudio kamen sie gar nicht erst rein, erzählt Rainer Lotz. In Europa war das anders, auch wenn die zwischen Buchdeckeln steckenden Geschichten, die der Bad Godesberger zu erzählen hat, auch davon berichten, wie die Afrikaner im Hagenbeck-Zoo neben den Tieren ausgestellt wurden.
– Quelle: http://www.rundschau-online.de/2724616 ©2017
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